VoIP mit Sipgate und dem Grandstream Budgetone 101
Internettelefonie im Praxistest. Steht das Ende der klassischen Telefonie ins Haus?
Mirko Kulpa, 25.09.2004
VoIP - Hype oder Realität?
Die Themen VoIP und Internettelefonie sind in aller Munde.
Das network lab hat eine verfügbare Lösung einem Praxistest unterzogen.
Unter dem Namen sipgate bietet die Firma Indigo Networks GmbH einen Dienst
zur Telefonie über das Internet an.
Zur Benutzung von sipgate ist eine kostenlose Anmeldung über
www.sipgate.de notwendig. Bei der Anmeldung kann sich der Kunde
eine Festnetzrufnummer aussuchen. Momentan stehen dabei die Ortsnetze von
14 deutschen Städten zur Auswahl. Nach erfolgreicher Anmeldung ist die
Rufnummer sofort erreichbar.
Kosten und Tarife
Ankommende Anrufe auf der von sipgate
vergebenen Rufnummer sind kostenfrei.
Abgehende Anrufe berechnet sipgate nach dem Prepaid-Verfahren. Sein Guthaben
kann man per Banküberweisung und per Kreditkarte aufladen.
Bei der Bezahlung mit Kreditkarte steht der Betrag sofort auf dem sipgate-Konto
zur Verfügung.
Es gibt keine Grundgebühr und netzinterne Gespräche sind kostenlos.
Verbindungen zu anderen VoIP-Anbietern wie Freenet und Iptel werden ebenfalls
nicht berechnet.
Für Gespräche ins deutsche Festnetz werden 1,79 ct/min fällig. Anrufe in die
deutschen Mobilfunknetze kosten 22,90 ct/min.
Grandstream BudgeTone 101
Als Hardware bietet sipgate momentan das Grandstream BT-101, den Adapter HandyTone-486 vom selben
Hersteller und die FRITZ!Box Fon von AVM an. Für diesen Test stand ein BT-101 zur Verfügung.
Das Gerät wurde von sipgate betriebsbereit ausgeliefert. Meine sipgate-Benutzerdaten waren
vollständig eingetragen. Es konnte also sofort losgehen.
Das Design des Telefons ist ergonomisch aber doch etwas gewöhnungsbedürftig.
BudgeTone 101
Die Stromversorgung erfolgt über ein Steckernetzteil.
Auf der Rückseite des Telefons befindet sich eine RJ45-Buchse zum Anschluss ans Datennetz.
Das Modell Budgetone BT-102 vom selben Hersteller verfügt über einen zusätzlichen Netzwerkanschluss.
An diesen kann dann beispielsweise ein PC angeschlossen werden.
Das Display des Telefons verfügt über eine blaue Hintergrundbeleuchtung und ist sehr gut ablesbar.
Die Tastatur ist ebenfalls beleuchtet.
Das Display hat eine blaue Hintergrundbeleuchtung
Das BT-101 wird entweder an einen DSL-Router oder direkt an ein DSL-Modem angeschlossen. Im zweiten Fall
übernimmt das Telefon den Verbindungsaufbau zum Internetprovider und man benötigt keinen Router.
Die Konfiguration des Telefons kann entweder über das Menü oder über das Webinterface
erfolgen.
Jedes Telefon wird von sipgate mit einem individuellen Passwort versehen. Sein Passwort für den Konfigurationsdialog
erfährt man auf sipgate.de unter "Meine Daten".
Konfiguration mittels Webbrowser
Über das Webinterface können alle Parameter des IP-Telefones eingestellt werden.
Per Default aktualisiert das BT-101 seine Firmware und Konfiguration über den TFTP-Server von sipgate.
Das BT-101 unterstützt die folgenden Codecs: G.711 (PCMA und PCMU), G.723.1, G.729 A/B, G.723, G.726/32, G.728, G.722
und iLBC. Für den problemlosen Betrieb hinter einem NAT-Router sorgt STUN.
Die Technik
Fast alle Anbieter nutzen heute das Protokoll SIP (Session Initiation Protocol) zur Steuerung der Telefonverbindungen.
Das von der ITU vorgeschlagene H.323 findet man kaum noch.
Zur Übertragung der Sprachdaten kommt das Protokoll RTP (Real-Time Transport Protocol) zum Einsatz.
Dazu wird das analoge Sprachsignal mit einem Codec digitalisiert und dann via UDP in einem festen
Zeitraster übertragen.
Codec | Bitrate Codec [kbit/s] | Bitrate Ethernet [kbit/s] | von sipgate unterstützt |
G.711 | 64 | 88 | ja |
G.722 | 64 | 88 | nein |
G.723 | 6,4 | 22 | nein |
G.726-32 | 32 | 55 | ja |
G.728 | 16 | 32 | nein |
G.729 | 8 | 32 | ja |
iLBC | 13,3 | 27 | ja |
GSM | 13 | 35 | ja |
Speex | 2 bis 44 | variabel | nein |
Die verschiedenen Kodierverfahren beanspruchen unterschiedliche Bandbreiten im Netz.
Die Tabelle gibt die im Ethernet benötigte Bandbreite für eine Richtung an.
Recht interessant ist der iLBC-Codec. iLBC ist sehr robust und ermöglicht eine gute Qualität bei der
Sprachübertragung. Der MOS liegt zwischen 4,0 ohne Packetverlust und 3,4 bei 5 Prozent Packetverlust.
Der Mean Opinion Score (MOS) ist die Größe zur Beurteilung der Sprachqualität. Ein MOS von 4 entspricht etwa
einer ISDN-Verbindung. Bis zu einem MOS von 3,5 wird von den meisten Anwendern noch keine Beeinträchtigung
wahrgenommen.
Im Praxistest war die Sprachqualität an einem ADSL-Anschluss mit allen Codecs gut bis sehr gut. Probleme treten auf, wenn
neben der Sprachübertragung noch andere Daten übertragen werden. Ohne eine Priorisierung der
RTP-Daten im Router kommt es dann zu massiven Störungen. Besonders der Uplink ist wegen seiner
geringeren Bandbreite schnell gesättigt. Wer VoIP produktiv nutzen will, benötigt einen Router der
Quality of Service (QoS) unterstützt.
Da sowohl die Verbindungsdaten (SIP) als auch die Sprachdaten (RTP) unverschlüsselt übertragen werden,
kann ein potentieller Angreifer Verkehrsbeziehungen analysieren und Gespräche mitschneiden.
Beispielsweise erlaubt es Wireshark, aufgezeichnete RTP-Streams als Audiodatei abzuspeichern.
Dienste von sipgate
Die Webseiten von sipgate sind klar strukturiert.
Man kann seine Anrufe einsehen, ein Telefonbuch pflegen und die Rechnung inclusive
Einzelverbindungsnachweis abrufen.
Zusätzlich gibt es noch einen Voicemail-Dienst.
Ohne Aktivierung der Voicemail, bekommt ein Anrufer die Ansage "Kein Anschluss unter dieser Nummer", wenn
kein SIP-Telefon angemeldet ist.
Über neue Anrufe auf der Mailbox von sipgate kann man sich per SMS oder Mail benachrichtigen lassen.
Die Nachrichten können per Telefon oder Webinterface abgehört werden.
Das Webinterface von sipgate zeigt alle Anrufe an
Bei allen Telefonaten ins Festnetz, muss immer die Ortsnetzkennzahl mitgewählt werden.
Mit der #-Taste kann die Wahl, ohne den lästigen Timeout abzuwarten, eingeleitet werden.
Von einem VoIP-Telefon oder einem Softphone können die Notrufnummern 110 und 112
nicht angerufen werden. Zur Zeit gibt es bei sipgate ein Testfeld für
Kunden aus Düsseldorf, dass diesen die Anwahl der Notrufnummern ermöglicht.
Ein Eintrag der von sipgate zugeteilten Rufnummer in das Telefonbuch ist
momentan noch nicht möglich.
Die Stabilität von sipgate ist insgesamt als gut zu bezeichnen. In Einzelfällen war allerdings
keine Verbindungsaufbau ins Festnetz möglich.
Sipgate bietet keinen telefonischen Support. Anfragen per Mail wurden schnell und
kompetent beantwortet.
Fazit
Die Tarife von sipgate sind zu vielen Zielen günstiger als die entsprechenden Angebote der T-Com.
Für sipgate spricht ebenfalls, dass keine monatliche Grundgebühr zu zahlen ist.
Die Abrechnung per Prepaid ist allerdings nicht jedermanns Sache.
Die Sprachqualität der getesteten Lösung ist durchweg überzeugend.
Wird der DSL-Anschluss von mehreren Personen genutzt oder werden öfter große Datenmengen übertragen,
ist ein Router mit Trafficpriorisierung unbedingt erforderlich.
Probleme im Alltag könnte die Verfügbarkeit bereiten. Für ein VoIP-Telefonat müssen neben dem Telefon
auch der DSL-Router, der DSL-Anschluss, der Internetzugang und das SIP-Gateway funktionieren.
Der fehlende Notruf dürfte besonders für ältere Mitmenschen ohne zusätzliches Mobiltelefon
ein KO-Kriterium sein.
Für den Technikfreak könnte VoIP allerdings einen Ersatz zum traditionellen Telefonanschluss darstellen.
Die Technologie bietet noch viel Potential und immer mehr Hersteller bieten interessante
Endgeräte an.
Das Zyxel ePhone P2000W ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Das Grandstream BT-101 für diesen Test wurde freundlicherweise
von der Firma sipgate zur Verfügung gestellt.
Weitere Berichte zu VoIP mit der AVM FITZ!Box Fon und Softphones (X-Lite) folgen demnächst.
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